Rechtliche Möglichkeiten bei einer Ortsplanungsrevision

Gabriela Mathys ,

12, Juli 2021
Das Nachbarsgebäude, das Ihnen bis anhin den Blick auf den See oder die Bergkette freigelassen hatte, nimmt seit einem Umbaubeginn drastisch in der Höhe zu. Aber in dieser Wohnzone darf doch eigentlich gar nicht so hoch gebaut werden, denken Sie. Was hat es damit auf sich? Dahinter steckt das Ortsplanungsverfahren. Da zurzeit in vielen Gemeinden Verfahren für eine neue Ortsplanung im Gange sind, lohnt es sich, sich mit den Hintergründen zu beschäftigen. In diesem Blog-Beitrag zeigen wir Ihnen genau auf, worum es bei Ortsplanungsverfahren geht, inwiefern Sie diese betrifft und wie Sie die Ortsplanung mitbeeinflussen können.

Wenn ein Grundstück, welches in einer Wohnzone liegt, verkauft wird, folgt häufig ein Um- und Ausbau. Für die neue Überbauung gelten unter Umständen neue Zonenvorschriften. Das bedeutet konkret: Wo zuvor beispielsweise maximal zwei Geschosse gebaut werden durften, können neu drei Geschosse gebaut werden. So wird entweder ein in der betreffenden Wohnzone bestehendes Gebäude um ein Stockwerk erweitert, oder es entsteht ein neues Gebäude mit drei Geschossen. Welche Gebiete als Wohnzone gelten und wie sie genutzt werden dürfen, regeln die Nutzungszonenpläne und Zonenreglemente der Gemeinde. Diese sind grundeigentümerverbindlich, was den Grundeigentümer freut. Wird nämlich, wie in unserem Beispiel, eine zweigeschossige Wohnzone zu einer dreigeschossigen aufgezont, wirkt sich diese Aufzonung direkt auf die Nutzungsmöglichkeiten der darin befindlichen Grundstücke aus – auf Ihre, aber auch auf diejenigen der Nachbargrundstücke. Zusammengefasst bedeutet dies, dass eine Änderung in der Ortsplanung direkte Auswirkungen auf Ihr Grundstück hat. 

Grundeigentümerverbindliche Nutzungszonenpläne – ein Mehrwert für den Grundeigentümer?
Eine Ortsplanungsrevision kann sich zu Ihrem Vorteil auswirken. Was aber, wenn stattdessen ein Nachbargrundstück aufgezont wird und sich auf einmal die Aussicht und Wohnsituation für Sie verändern? Gerade dank des Grundsatzes des verdichteten Bauens ist mit solchen Veränderungen auf den Nachbargrundstücken zu rechnen. Wenn sich die Höhe des neuen Gebäudes am Bauprofil der Überbauung abzeichnet und diese Ihr eigenes Haus deutlich überragt, dann ist das Bauvorhaben schon so weit fortgeschritten, dass Sie kaum mehr etwas gegen die zusätzliche Höhe auf dem Nachbargrundstück ausrichten können. Um Einfluss nehmen zu können, muss man schon viel früher aktiv werden. Die Bauphase auf dem Nachbarsgrundstück ist schliesslich die Folge eines vorangegangenen Prozesses bzw. eines Ortsplanungsverfahrens, während welchem Ablehnung und Bedenken vorgebracht werden können.

Ihre Rechte und der Ablauf eines Ortsplanungsverfahrens
Wird die Ortsplanung verändert, spricht man von einer Ortsplanungsrevision. Damit eine neue Ortsplanung rechtskräftig werden kann, müssen verschiedene für die Legalisierung erforderliche Planungsschritte durchlaufen werden. Eine wichtige Rolle in diesem Prozess spielt auch die Bevölkerung. Im Folgenden wird auf die vier einzelnen Planungsschritte eingegangen, in deren Rahmen die Möglichkeit besteht, Ihre Rechte wahrzunehmen und auszuüben. Die vorliegenden Planungsschritte gelten für den Kanton Solothurn. In den anderen Kanton gelten teilweise andere Bestimmungen.

•    Mitwirkungsverfahren
Eine Möglichkeit für die Bevölkerung, Einfluss auf die Ortsplanung zu nehmen, ist das sogenannte Mitwirkungsverfahren. Die Planungsbehörde ist in der Pflicht, vor der öffentlichen Auflage der Ortsplanung ein Mitwirkungsverfahren in der Bevölkerung durchzuführen. Wird ein solches Verfahren nicht durchgeführt, liegt ein Formfehler vor und die Mitwirkung muss nachgeholt werden. Andernfalls kann die Ortsplanung nicht öffentlich aufgelegt werden. Je nach Gemeinde ist die Form dieser Mitwirkung unterschiedlich. In manchen Gemeinden wird eine Informationsveranstaltung durchgeführt, während andernorts die Pläne zur Mitwirkung aufgehängt oder im Internet zur Einsicht zur Verfügung gestellt werden. 
Die Bevölkerung hat innerhalb eines begrenzten Zeitfensters die Möglichkeit, die ersten Planungsvorschläge einzusehen und eigene Anliegen einzubringen. Die Anliegen der Bevölkerung werden von der Planungsbehörde gesammelt, bereinigt, gewichtet und allenfalls bei der Ortsplanung berücksichtigt. Zu einzelnen Anliegen wird Stellung genommen. Ein Anspruch auf Berücksichtigung besteht jedoch nicht.
Eine Mitwirkung ist somit informell, was bedeutet, dass sie nicht den Charakter einer Einsprache oder einer Beschwerde hat. Dennoch ist die Teilnahme an einem Mitwirkungsverfahren ratsam - insbesondere dann, wenn feststeht, dass für das Quartier oder das eigene Grundstück Änderungen vorgesehen sind. Es ist auch der richtige Zeitpunkt, um die Gemeinde aktiv mitzugestalten.

•    Ortsplanungsverfahren – Ordentliche Auflage
Sind alle notwendigen Pläne und Reglemente sowie Stellungnahmen vorhanden und das Mitwirkungsverfahren der Bevölkerung bereinigt, entscheidet die Planungsbehörde über die öffentliche Auflage. Im Kanton Solothurn ist der Gemeinderat für die Planung zuständig. Sämtliche Ortsplanungsunterlagen werden während 30 Tagen öffentlich aufgelegt und ein Ort bekannt gegeben, an welchem die publizierten Unterlagen eingesehen werden können. Viele Gemeinden stellen die Ortsplanungsunterlagen auch im Internet zur Einsicht und als Download zur Verfügung. 
Grundeigentümer, welche von der Ortsplanung betroffen sind, sind zur Einsprache legitimiert und können innert der Auflagefrist von 30 Tagen Einsprache gegen die grundeigentümerverbindlichen Pläne und Reglemente der Ortsplanung vornehmen, welche sich negativ auf das Grundeigentum auswirken. Die Einsprache ist ein formelles Begehren, welches einer Begründung und konkreter Anträge bedarf. Die Teilnahme am Mitwirkungsverfahren ist übrigens keine Voraussetzung für die Erhebung der Einsprache. 
Nach Ablauf der öffentlichen Auflagefrist erfolgt bei vorhandenen Einsprachen das Einspracheverfahren. Am Ende liegt die Entscheidung über das weitere Vorgehen beim Gemeinderat. Er entscheidet also darüber, ob die Ortsplanung genehmigt wird oder ob ein Einspracheantrag an den Regierungsrat des Kantons Solothurn gestellt wird.

•    Prüfung durch den Regierungsrat
Gemäss dem Raumplanungsgesetz entscheidet der Kanton über die Ortsplanungen. Jede Ortsplanung muss dem Regierungsrat zur Prüfung vorgelegt werden. Nachdem Sie beim Gemeinderat Einsprache erhoben haben, erhalten Sie den Entscheid des Gemeinderats mit der Gutheissung oder der Abweisung Ihrer Einsprachepunkte. Innert 10 Tagen können Sie beim Regierungsrat Beschwerde gegen diesen Gemeinderatsentscheid erheben. Voraussetzung für die Beschwerde ist demnach, dass Sie zuvor Einsprache erhoben haben. Der Regierungsrat behandelt die Beschwerden und prüft die Ortsplanung auf Zweck- und Verhältnismässigkeit sowie auf Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften.

•    Verwaltungsgericht
Der Beschluss des Regierungsrats kann innert 10 Tagen beim Verwaltungsgericht angefochten werden. Diese Möglichkeit haben nur Sie als Beschwerdeführer. Die Prüfungsmöglichkeiten des Verwaltungsgerichts sind eingeschränkt. Überdies spricht das Verwaltungsgericht der Planungsbehörde eine grosse Ermessenskompetenz zu.

Lassen Sie sich beraten
Wie in so vielen Angelegenheiten gilt auch bei Ortsplanungsrevisionen, dass Sie sich bestenfalls schon im Vorfeld über Ihre Rechte und über mögliche Auswirkungen einer Änderung der Ortsplanung informieren. Auch wenn eine Ortsplanungsrevision eingetroffen ist, ist es wichtig, dass Sie als Grundeigentümer darüber informiert sind, welche neuen Nutzungsrechte auf Ihrem Grundstück und in Ihrem Quartier bestehen. Bei Fragen oder Unterstützungsbedarf stehe ich Ihnen gerne mit Rat und Tat zur Seite. Ich freue mich auf Ihre Kontaktaufnahme.